23.12.2006

Spanische Fliege

Am Donnerstag hat unser Medical Team ca. 55 Km von Bura entfernt, ca 1,5 Stunden Fahrt, die Gesundheitsstation aufgeschlagen. Die Fahrt dort hin war mehr als Abenteuerlich. Nachdem wir die Teerstrasse verlassen hatten, ging es auf einer schlammigen Piste weiter. Unsere Fahrzeuge haben sich wieder einmal bestens bewaehrt. Der Land Cruiser mit seinem vielemn Gepack auf dem Dach war aber einmal in eine so bedrohliche Schieflage gearten, das man Robert ploetzlich wie beim Segeln aus dem Seitenfenster hechten sehen konnte. Er versuchte ein Gegengewicht aufzubauen. Der Landcruiser war mit einer Seite in ein Schlammloch abgerutscht. Das ist wirklich der Busch hier. So nennen es auch die Einheimischen. nach dem heftigen Regen steht hier alles im saftigen Gruen. Noch 2 Wochen weiter und es wird wohl eine wunderschoene bluehende Landschaft entstehen. Wir wurden schon von den Dorfaeltesten erwartet. Man hat uns einen Platz im Schatten freigeraumt. Diesmal unsreren Kenianischen Helfern und Robert ein Zelt aufgebaut. Zum Glueck wehte an diesem Ort immer wieder eine leichte Briese Wind. Die Untersuchungen fuer die Schwangeren wurde im Zelt durchgefuehrt. In der Mitte haben wir es mit Tuechern abgetrennt um auch noch die Apotheke unterzubringen. Die Registration , sowie die Behandlung und Arztuntersuchung haben wir draussen im Schatten aufgebaut. An Diesem Tag hatten wir 210 Patienten. Insgesammt wurden bis jetzt von den Finnen und uns ca. 1500 Patienten untersucht und versorgt.
Mittags hatten unsere Fahrer zwei Huehner schlachten lassen um ein wenig zum Mittagessen zu haben. Bei der Hitze hat man mittags aber kaum Hunger. Man muss eher darauf achten immer genug zu trinken.
Mittlerweile sind wir alle sehr von den Insekten hier in Mitleidenschaft gezogen worden. Zum einen ist es echt eine Plage, wenn man abends irgendwo Licht angelassen hat, da einen eine unvorstellbare Anzahl von Insekten attakiert. Als ich eines Abends gerade am Laptop mein Tagebuch schrieb, fiel ploetzlich der Strom aus. Der Bildschirm vom Laptop war in Sekunden schwatz von den heranstuermenden Insekten. Ich musste augenblicklich meine Arbeit einstellen und den Laptop herunterfahren.
Am schlimmsten hat uns die Spanische Fliege zugesetzt. Man bezeichnet sich wohl auch als Nairobi Fly ( Oder Nairobi Eye). Es ist naemlich gar keine Fliege, sondern ein Kaefer. Haut man diesen unbewusst auf der Haut kaputt, oder er geraet in Stress, dann sondert er eine aetzende Flusessigkeit aus. Wir haben fast alle grossflaechige Verbrennungen am Koerper. Mich hat es im Gesicht , am Hals und am gesamten Unterschenkel erwischt. Nach und nach fuellt sich diese Veratzung mit Fluessigkeit und es bilden sich so eine Art Brandblasen. Dann loest sich irgendwann die Haut auf und man sieht aus, als haette man sich die Pest eingefangen. Am besten waere es, wenn man den ganzen Tag in seinem Moskitodom herumlaufen wuerde. Die Muskitos sind hier auber so aggressiv, das sie selbst durch den Moskitodom stechen, falls man zu dicht an der Aussenhaut liegt.
Mein Einsatz ist nun doch frueher zuenden gegangen als urspruenglich geplant. Ich werde heute abend nach Deutschland zurueckfliegen. Das Medical Team wird weiter arbeiten.
Vielleicht werde ich in den naechsten Tagen hin und wieder ein paar Erlebnisse nachtraeglich ins Tagebuch schreiben.

22.12.2006

Back to the basics

Die letzten Tage waren wirklich stressig für das gesamte Team. Zu der enormen Hitze kommt nun auch der psychische Stress
ausden täglichen Einsätzen in den Dörfern. Meistens stehen wir schon um 6 Uhr auf, um uns zu duschen und etwas zu
frühstücken. Das Frühstück ist allerdings recht bescheiden. Etwas Tee und Kaffee, bei dem man allerdings nur am Geruch
unterscheiden kann, welchen man sich gerade eingießt, Weißbrot und etwas zerschmolzene Butter. Das war es. Danach wird der
Landcruiser bepackt. Zuerst wird der Dachgepäckträger mit verschiedenen Kisten bepackt, dann kommen noch Stühle, Tische und
Betten auf das Dach. Das sieht aus, als wollten wir für drei Monate in den Urlaub fahren. Punkt 8 Uhr geht es dann für das
medizinische Team ins Feld. Die letzten zwei Tage war es jeweils eine Fahrt von 45 Kilometern. Wobei die Kilometer hier
wirklich nichts über die Dauer einer Fahrt sagen. Manchmal braucht man für einen 15 Kilometer langen Feldweg länger, als für
100 Kilometer auf einer geteerten Straße.

Draußen werden dann den ganzen Tag lang Patienten registriert, danachwerden sie gewogen, Temperatur und Blutdruck gemessen,
bevor es dann zum Arzt geht. Wir haben zwei Ärzte mit, Robert und Jamal. Sie erstellen dann eine Diagnose und schreiben die
benötigte Medizin auf.

In unserer Apotheke bekommen die Patienten dann ihre Medikamente. Die Medikamente müssen abends noch eingetütet werden. In
den letzten Tagen war dies eine sehr belastende Arbeit für alle. Nach einem langen Arbeitstag noch bis 22 oder 23 Uhr die
Medikamente für den nächsten Tag einzutüten. Zusätzlich müssen noch die Kisten mit Verbrauchsmaterialien gepackt und
aufgefüllt werden. Alle arbeiten hier am Limit ihrer körperlichen und psychischen Grenzen. Die Arbeit im Feld, wie wir unter
uns Rotkreuzlern sagen, ist nicht zu vergleichen mit der Arbeit in einem Krankenhaus oder einer Arztpraxis. Erst einmal
heißt es "back to the basics". Es gibt keine elektronischen Gerätschaften, man kann nur auf das Nötigste zurückgreifen.
Am Tag werden so 150-200 Patienten versorgt. Von insgesamt zwei Ärzten und vier Schwestern. Man kann noch nicht einmal von
einem ganzen Tag sprechen, da die Anfahrt schon 1 1/2 Stunden dauert und die Rückfahrt ebenfalls.

Ich arbeite nach wie vor überall mit wo ich kann. Meine Aufgabenfelder haben sich allerdings dadurch reduziert, dass wir in
einer festen Unterkunft wohnen und auch mittlerweile Strom von einem Generator geliefert bekommen. So habe ich mich mit um
die spanische Wasseraufbereitung gekümmert und diese mit Rat und Tat unterstützt. Wir haben Wassertanks in
Camps aufgebaut und den Einwohnern erklärt, wie diese aufzubauen sind. Um das Wasser aus diesen Plastikblasen entnehmen zu
können, muss dies nämlich auf einem Podest in ca. einem Meter, wenn möglich höher stehen.
Sonst fließt kein Wasser aus dem Behälter. Unsere Tapstands (zu Deutsch: mehrere Wasserhähne an einem Stahlrohr befestigt)
müssen immer tiefer liegen als der Wasserbehälter. Gestern wollten wir diesen Wasserbehälter mit Wasser füllen. Leider hat
der Wasser-Lkw unser Wasser nur bis ca. 500 Meter vor sein Ziel gebracht. Dann ist er mit 18.000 Litern Wasser im Schlamm
stecken geblieben. Alle Bemühungen, ihn wieder aus dem Schlamm zu befreien, sind letztendlich gescheitert. Am Nachmittag
haben wir uns dann mit unseren zwei Fahrzeugen zur Rettung des Wasser-Trucks aufgemacht. Hier hat sich einmal wieder unser
Fahrzeugkonzept bewährt. Alle Fahrzeuge sind Allrad betrieben und haben eine Seilwinde. Wir haben beide Seilwinden mit
jeweils einer Umlenkrolle an dem Wassertruck befestigt, dann die Landcruiser von hinten an Bäumen abgesichert. Auf Kommando
haben wir die beiden Seilwinden gleichzeitig in Betrieb genommen. Zur Sicherheit haben wir die Motorhauben und die
Fahrertüren geöffnet. Wenn so ein Stahlseil einmal reißt, kann man nur hoffen, dass dieses einen ein wenig schützt. Langsam
konnte man Bewegung im Wasser-Truck sehen. Er bewegte sich Stück für Stück aus dem Schlamm, bis er schließlich nach einiger
Zeit komplett befreit war. Dies geschah natürlich unter den kritischen Augen aller Bewohner der Camps. Zum einen aus Neugier
zum
anderen wahrscheinlich zum Zeitvertreib.

Heute wurde das Camp aber endlich mit Wasser beliefert. Morgen wird das nächste Camp folgen.

Das Kenianische Rote Kreuz ist durch seine Stärke eine wirkliche Hilfe. Dass ich dadurch wenig zu tun habe, ist für mich
kein Problem. Es ist gut, dass die Menschen versuchen, sich selbst zu helfen. Mein Einsatz wird deshalb auch kürzer
ausfallen als ursprünglich geplant. Das Medical Team bleibt aber nach wie vor hier und wird seine Arbeit bis auf weiteres
fortsetzen.

18.12.2006

Geduld gehoert in Afrika zum täglichen Leben

Heute haben die Medical Teams ihre Arbeit aufgenomen. Das Deutsch/Schweizerische/Kenianische Team untersucht und behandelt seit heute morgen die Bewohner eines Flüchtlingscamps, ca. 10 km entfernt von Bura. Das finnische Team fährt in einen anderen Bezirk. Das japanische Team deckt die Küste von Kenia ab.

Die nahegelegene Schule, in die das deutsche Team heute gefahren ist, wird zur Zeit nicht benutzt. So konnten wir hier eine feste Unterkunft für die medizinische Versorgung einrichten und mußten nicht auf Zelte ausweichen. Die Warteschlangen sind schon am frühen Vormittag so lang, dass heute nicht alle Patienten untersucht und behandelt werden können. Morgen, vielleicht auch übermorgen, werden wir erneut in dieses Gebiet fahren und weitere Patienten versorgen.

Das Wetter macht uns Europäer doch ganz schön zu schaffen. Morgens um 7 Uhr sind es schon 27 Grad im Schatten bei fast 100 Prozent Luftfeuchtigkeit. In der Nacht kühlt es nur unmerklich ab, so dass man am besten ohne Decke in seinem Moskitodome schläft und sich so wenig wie möglich bewegt. Tagsüber endet jede größere Bewegung in einem nicht mehr enden wollendem Schweißausbruch. Mich beruhigt nur, dass die Kollegen vom Kenianischen Roten Kreuz aus Nairobi dasselbe Problem haben. Nairobi liegt viel höher als Bura. Ich glaube, es gibt einen Höhenunterschied von mehr als 1000 Metern. Wir liegen hier auf ungefähr 200 Metern über NN. Der Äquator ist ca. 34 Minuten von hier entfernt. In Nairobi ist es also viel kühler und es weht vor allem immer ein angenehmer Wind.

Die meist weiblichen Patienten mit ihren Kindern stehen geduldig an der Tür mit der Aufschrift "Registration". Hier werden die Patientendaten aufgenommen und der Grund ihres Besuches registriert. Bevor Sie zum Arzt kommen, müssen sie sich erneut geduldig anstellen. Ich glaube, bei uns in Deutschland hätten sich schon viele an der Anmeldung beschwert, warum man mehr als zwei Stunden warten muss. Hier ist man überhaupt froh, dass die "Musungos", so werden wir hier genannt, die betroffene Bevölkerung medizinisch versorgt.

Zur nächsten Stadt ist es mehr als drei Stunden zu laufen. Die nächste Wasserstelle ist nur in einem längeren Fußmarsch zu erreichen. Kaum einer kann sich vorstellen, dass es sich den ganzen Tag nur darum dreht, Wasser zu besorgen, Feuerholz zu sammeln, die Felder zu bestellen und zu ernten oder das Vieh zu hüten.

Das Spanische Rote Kreuz hat heute damit angefangen, Wassertanks in den Camps aufzubauen. Heute nachmittag wollen sie mit der Wasseraufbereitung beginnen. Die Camps werden dann durch Wassertanker mit frischem Trinkwasser beliefert.

Helene, Eva und Robby sind froh, endlich mit der Arbeit begonnen zu haben. Helene ist eine Krankenschwester aus der Schweiz, Eva ist von Beruf Hebamme und Robby ist Arzt. Das Team wird von unseren kenianischen Kollegen vom Roten Kreuz mit jeweils einem Arzt und zwei
Krankenschwestern oder Helfern mit medizinischem Hintergrundwissen unterstützt.

Das Ziel ist es natürlich, das Kenianische Rote Kreuz durch Ausbildung und neuem Material weiter zu stärken. So bleibt das Gesundheitszentrum komplett nach diesem Einsatz in Kenia. Deshalb sind von Anfang an in jedem Bereich kenianische Helferinnen und Helfer an der Seite ihrer ausländischen Kollegen.

Das Kenianische Rote Kreuz erkundet weiter die Lage in den überschwemmten Gebieten. Gestern wurde uns von einem Dorf berichtet, in dem die Bewohner teilweise auf den Bäumen leben, weil ihr Land überflutet ist. Diese Gebiete kann man allerdings nur zur Fuß erreichen.
Die Wege sind so schlammig, dass selbst unser sehr gut ausgerüsteteter Land Cruiser mit einer pneumatischen Differentialsperre nicht mehr weiter kommt. Einen Tag zuvor haben wir erst einmal zwei Autos mit den Fahrern zurücklassen müssen, weil sich beide Fahrzeuge auf dem Rückweg von einer Besprechung in Bura festgefahren hatten. Auf dem Hinweg war der Weg noch passierbar. Im Laufe des nachmittags hatte es aber so heftig geregnet, dass sich die Straße in ein einziges Schlammfeld verwandelt hatte. Mit viel Aufwand und Geduld gelang es uns dann, die Autos wieder aus dem Schlamm zu befreien.

Unsere Kollegen vom Britischen Roten Kreuz kümmern sich um unsere Versorgung mit Diesel, Essen, Getränken, Obst und allem, was für den reibungslosen Einsatz von Nöten ist. Die nächst größere Stadt, in der diese Dinge gekauft werden können, ist die 70 km entfernte Stadt Garissa. Die sogenannten BritLOGs ( Britisches Logistik Team) haben sich auch schon um den Transport unseres Materials von Nairobi nach Bura gekümmert.

Die Fahrt von Nairobi nach Bura hat übrigens neun Stunden gedauert. Das letzte Stück von Garissa nach Bura hat am längsten gedauert, da die Straße an vielen Stellen nicht mehr existierte und man auf Feldwege oder überflutete Wege ausweichen musste. Da man nie genau einschätzen konnte, wie tief der Schlamm oder das Wasserloch sein würde, musste immer jemand diesen unbekannten Bereich zu Fuß durchlaufen.

Dass dies sinnvoll ist, hat sich schon einige Male hier in der Region gezeigt.

Unsere Unterbringung konnten wir glücklicherweise in Häusern organisieren. Wir haben ein Dach über dem Kopf und es ist für Afrika eine sehr gute Unterkunft. Wenn man es mit deutschen Hotelkategorien vergleichen sollte, wäre es wohl ein viertel Stern. Nachts schlafen wir zwar in unseren Moskitodomen, um uns vor Stechmücken zu schützen, man weiß aber, dass man nie alleine im Zimmer ist. Angefangen von Kröten im Miniformat bis zur Kröten in XXL-Format über Insekten in allen Größen und Gattungen bis hin zu Gekkos und anderem Getier.

Käfer sind hier so groß wie bei uns kleine Mäuse, wenn man von einer Heuschrecke angesprungen wird, tut es schon ein wenig weh, so groß sind sie. Läßt man abends das Licht brennen, dauert es keine zehn Minuten und man kann die Hand vor Augen nicht mehr sehen, so viele Insekten tummeln sich um das helle Licht. Deshalb essen wir oft auch im Dunkeln. Dies hat
dann allerdings zur Folge, das man den einen oder anderen Käfer oder Insekt mitisst,welcher sich auf den Teller verirrt hat.